Um die Wiederkauaktivität der Kühe positiv zu beeinflussen, kann Futterstroh effektive Dienste leisten. Doch wenn die Spielregeln des Stroheinsatzes nicht beachtet werden, kann der Schuss auch nach hinten losgehen. Wie bringt man also die gewünschte Menge Stroh in die Kuh, ohne dass daraus Probleme entstehen?

Immer wieder wird unter Landwirten das Thema Stroh in Milchviehrationen heiss diskutiert. Während die einen auf die positiven Effekte des Strohs nicht mehr verzichten möchten, verteufeln es andere aufgrund von schlechten Erfahrungen, die gemacht wurden. Die Absicht hinter dem Stroheinsatz ist die Vermeidung einer (subakuten) Pansenazidose. Wie so oft aber, lässt sich nicht pauschal sagen, ob Stroh ein Muss oder ein No-Go für eine Milchviehration ist. Wer es genau wissen möchte, muss Raufutteranalysen und eine möglichst exakte Rationsberechnung vornehmen lassen. Denn entscheidend ist, wie hoch der Faseranteil aus dem Grundfutter bereits ist. Dies wiederum hängt davon ab, welche Grundfuttermittel in welchen Mengen gefüttert werden und wie der Pflanzenbestand sowie die Erntepraxis (namentlich der Schnittzeitpunkt) aussieht. Und dies ist sicherlich die Haupterklärung, weshalb einige Betriebe positive und andere wiederum negative Erfahrungen mit dem Stroheinsatz gemacht haben.
Pflanzenart / Bestandestyp | Nutzungsstadium | ADF in % pro kg TS |
Grünfutter gräserreicher Mischbestand hauptsächlich Raigräser | GR N1 2 | 20.1 |
Grassilage ausgewogener Mischbestand | A N2+ 3 | 29.6 |
Maissilage 55% Kolbenanteil | Teigreife | 24.3 |
Dürrfutter gräserreicher Bestand hauptsächlich Raigräser | GR N1 4 | 28.8 |
Rapsextraktionsschrot | | 20.6 |
Weizen | Körner | 3.2 |
Mais | Körner | 2.6 |
Futterrübe | Frisch | 6.0 |
Gerstenstroh | | 51.0 |
Fasermenge entscheidend
Wer eine Pansenazidose in seiner Milchviehherde nachhaltig verhindern möchte, achtet darauf, dass seine angebotene Gesamtration (also inkl. Kraftfutter) mind. 20% ADF enthält. ADF (Acid detergent fiber) umfasst den Anteil schwer- und unverdaulicher Faserteile. Dies sind Zellulose und Lignin. Sie sorgen dafür, dass der Panseninhalt eine ausreichende Schwimmschicht bildet und somit die Pansenmotorik entsprechend funktioniert. Dies wiederum sorgt für ein ausreichendes Wiederkauverhalten und der damit verbundenen Speichelbildung, was die effektivste Form der Neutralisierung der im Pansen anfallenden Säuren bewirkt. Die anschliessende Tabelle soll zeigen, welche ADF-Anteile in ausgewählten Futtermitteln vorzufinden sind:
Die meisten schweizerischen Betriebe sind aufgrund der eingesetzten Futtermittel und der Rationszusammenstellung insbesondere während den Wintermonaten in einem ausreichenden ADF-Gehalt. Bei saft- oder kraftfutterreichen Rationen kann Stroh jedoch mit wenigen Gramm mithelfen, den Gesamtgehalt auf den geforderten Wert von 20% ADF in der TS anzuheben. Dies gilt über alle Laktationsphasen hinweg, wobei Betriebe mit hohen Leistungen (40kg Tagesmilch und mehr) manchmal sich eher an die von den amerikanischen Beratungsinstitutionen empfohlenen 19% in der Startphase annähern. Denn die Menge aufgenommene ADF steht im Konflikt mit dem TS-Verzehr. Je mehr schwer- und unverdauliche Fasern gefressen werden müssen, desto mehr wird die Futterpassagerate verlangsamt. Das bedeutet, dass die Mikroorganismen mehr Zeit benötigen, das Futter aufzuschliessen und somit verbleibt das Futter länger im Pansen. Generell lässt sich so erklären, warum ein übermässiger bzw. unnötiger Einsatz von Stroh den Futterverzehr bremst, und die Milchleistung schrumpft. Deshalb orientieren sich Hochleistungsbetriebe dem absoluten Minimalwert von 19%, damit der TS-Verzehr maximal bleibt und «sichern» den Pansen-pH zusätzlich mit Puffersubstanzen wie Natriumbikarbonat oder Futterkalk ab, welche der Futterration über den Mischwagen beigeben wird.

Die Reaktionen der Kühe
Sind die ADF-Gehalte der eingesetzten Futtermittel unbekannt, kann man sich auch an die ideale Strohmenge herantasten. Man beginnt mit 300 g Stroh pro Kuh und Tag und erhöht die Menge um 100g pro Woche bis zu dieser Menge, wo man merkt, dass der TS-Verzehr der Herde oder die Milchleistung rückläufig wird. Dann geht man 100g zurück und verbleibt bei dieser Menge. Anfangs wird häufig beobachtet, dass der Kot dicker, der Milchfettgehalt höher und die Kühe sogar mehr TS aufnehmen als vor dem Stroheinsatz. Somit hat man auch die Gewissheit, dass die Kühe (subakut) an Pansenübersäuerung litten. Die meisten Betriebe setzen so zwischen 300 und 1.5 kg Stroh pro Kuh und Tag ein. Muss mehr als 1.5kg Stroh eingesetzt werden, stimmt die Rationszusammenstellung von Grund auf nicht, da sie offenbar zu viele schnell verdauliche Kohlenhydrate oder die Qualität des Grundfutters nicht stimmt. Muss eine solch grosse Menge Stroh gefüttert werden, wird der Energiegehalt der Gesamtration zu tief.
Der Einsatz von Stroh birgt immer das Risiko einer Selektion. Wenn das Stroh nicht ausreichend kurz geschnitten ist, können Kühe es meiden. Am besten lässt sich dies bei der Entsorgung der Krippenreste beurteilen. Wenn der Anteil an Stroh in den Futterresten deutlich höher als in der Ausgangsration ist, haben die Kühe selektiert. Dies unter der Voraussetzung, dass zwischen 1 bis 5 % Krippenreste akzeptiert werden. Möchte man das Selektieren verhindern, muss das Stroh entweder vom Mischwagen ausreichend (unter 4cm Länge) geschnitten werden oder es wird industriell gehäckseltes Stroh eingesetzt. Auch hier scheiden sich die Geister, was besser ist. Auf der einen Seite ist industriell gehäckseltes Stroh zusätzlich im Längsschnitt gespalten, was den Aufschluss im Pansen verbessert. Wurde jedoch Stroh verarbeitet, welches nicht ausreichend trocken oder mit viel Erdbesatz war, mufft das Häckselstroh eher, neigt zu Päckchenbildung und ist eher mykotoxinbelastet. Deshalb ist hier extrem auf die Qualität zu achten.
Auch auf die jahreszeitlich bedingten Schwankungen muss man bei der Strohverfütterung Rücksicht nehmen. Da die verdaulichen Teile des Futterstrohs hauptsächlich im Pansen gelöst werden, wird Wärme produziert. An heissen Sommertagen heizt dies die Kuh zusätzlich von innen auf. Sie reagiert mit einem verminderten TS-Verzehr. Deshalb muss häufig im Sommer der Strohanteil reduziert werden, um den Verzehr aufrechthalten zu können. Im Herbst kann er dafür häufig erhöht werden. Je höher der Anteil Grünfutter (Frisch- oder Weidegras, Grünmais) in der Ration wird, desto höher sollte der Anteil Stroh sein. Dies sorgt dafür, dass die Passagerate gebremst wird und die Wiederkauaktivität gewährleistet ist.
Stroh für Trockensteher
Für viele Betriebe unverzichtbar ist der Stroheinsatz in der Galtviehration. Stroh sättigt und hilft, das Pansenvolumen maximal zu halten. In dieser Phase können 4 bis 6 kg kurz geschnittenes Stroh aufgenommen werden, ohne negative Konsequenzen erwarten zu lassen. Durch den tiefen Energiegehalt des Strohs wird verhindert, dass die Trockenstehenden überversorgt und überkonditioniert werden. Ausserdem ist es arm an Mineralstoffen, weshalb es sich für das Calziumtraining in der Galtphase ideal anbietet. Keine pauschale Aussage lässt sich über den Kaliumgehalt sagen, da es stark darauf ankommt, ob beim Getreideanbau Rindergülle oder -mist zum Einsatz kam oder es gar von einem viehlosen Betrieb stammt. Eine kaliumarme Fütterung in der Galtzeit wird bevorzugt. Klarheit über den Kaligehalt des Strohs bringt einzig eine Futteranalyse. Nähert sich die Kuh der Geburt, sinkt ihr TS-Verzehr nochmals ab. Hier gilt es, mind. 12 kg TS-Verzehr halten zu können. Mit ca. 20 kg Maissilage (38% TS) plus 5 kg kurzgehäckseltes Stroh und 0.5 kg Eiweisskonzentrat lässt sich dies gut erreichen.
Kurz gelesen:
Strohmenge so definieren, dass mind. 20% ADF in der Gesamtration gegeben ist.
Ist der Strohanteil in der Ration zu hoch, leidet der Energiegehalt der Gesamtration und damit der TS-Verzehr darunter.
Es darf nur sauberes Stroh mit einwandfreiem Geruch verfüttert werden. Ist das Stroh länger als 4 cm, neigen die Kühe zur Futterselektion.
Futterstroh in passender Aufwandmenge sorgt für eine korrekte Wiederkauaktivität, einem gesunden Pansen, gewünschte Kotkonsistenz und guten Milchinhaltsstoffen.
Für trockenstehende Kühe ist Stroh in Kombination mit Maissilage ein ideales Futtermittel, weil es für einen TS-Verzehr von mind. 12 kg pro Kuh und Tag sorgt und beim Calziumtraining mithilft.
Pirmin Zürcher
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